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Das Wissenschaftsjahr Bioökonomie muss in ein Wirtschaftsjahrzehnt münden - ein Standpunkt von Frau Prof. Dr. Christine Lang (BELANO medical AG)

Overview

2020 und 2021 sind vom Bundes­mi­nis­terium für Bildung und Forschung (BMBF) ausge­rufene Wissen­schafts­jahre zum Themenfeld Bioöko­nomie. Ziel von Wissen­schafts­jahren ist es, Bewusstsein und Verständnis für ein brennendes wissen­schaft­liches Thema zu verstärken und den Dialog zwischen Wissenschaftler*innen und Öffent­lichkeit zu vermitteln. Für die Bioöko­nomie geht es auch darum, neue biolo­gische Prozesse oder biolo­gisch inspi­rierte Produkte öffentlich zu machen, Ideen und Perspek­tiven zu disku­tieren sowie allgemein für Bio-Themen wie Nachhal­tigkeit, Kreis­lauf­wirt­schaft und Biodi­ver­sität mehr Aufmerk­samkeit zu erhalten. Das ist von großer Bedeutung für unsere Ziele im Klima- und Umwelt­schutz, und ein solches Wissen­schaftsjahr kommt zur rechten Zeit. Aber könnte und müsste es nicht auch längst ein Wirtschaftsjahr oder sogar ein Wirtschafts­jahr­zehnt Bioöko­nomie geben?

Wirtschafts­jahr­zehnt Bioökonomie

Tatsächlich sind sehr viele Entde­ckungen und Forschungs­er­geb­nisse der Bio-Wissen­schaften schon lange in der Ökonomie angekommen – so wäscht heute niemand von uns mehr mit Kernseife und bei Koch-Tempe­ra­turen, sondern High-Tech-Enzyme sorgen schon bei niedrigen Tempe­ra­turen und unter Einsatz von sehr milden Reakti­ons­be­din­gungen für Fleck­ent­fernung und Sauberkeit. Und was im Haushalt üblich ist, wird auch in der Großin­dustrie immer verbrei­teter. Mit der Bioöko­nomie gelingt es vermehrt, die tradi­tio­nelle Industrie zu „biolo­gi­sieren“, also biolo­gische Prozesse in tradi­tio­nelle einfließen zu lassen: In der chemi­schen Industrie sind bereits 16 % der Rohstoffe bio-basiert und nicht mehr wie tradi­tionell üblich von fossilen Rohstoffen stammend. CO2 – eigentlich eine Art proble­ma­ti­sches Abfall­produkt – wird von Mikro­or­ga­nismen für die Herstellung von Ethanol verwertet, und mikro­biell herge­stellte Kunst­stoffe aus Biomasse ersetzen als Bio-Plastik herkömm­liche Produkte aus Erdöl.

In der Textil­in­dustrie kann Baumwolle mit weniger Chemie bearbeitet werden, indem Enzyme aus Mikro­or­ga­nismen chemische Reaktionen ablösen, die viel Energie und häufig hohe Tempe­ra­turen und Drücke benötigen. Auch die Papier­in­dustrie profi­tiert bereits von der Umstellung auf biotech­no­lo­gische Prozesse, z. B. wenn bei der Papier­her­stellung Enzyme einge­setzt werden, um Drucker­tinte aus Recycling-Papier zu entfernen. So können die Umwelt­be­lastung um 40 %, die CO2 Emissionen um 30 % und der Rohstoff­ver­brach um 60 % gesenkt werden.

Das Pariser COP25 Abkommen sowie der European Green Deal haben als wesent­liche Klima­ziele die Abkehr von fossilen Rohstoffen und die Klima­neu­tra­lität bis 2050 vorge­geben. Um dies zu erreichen, brauchen wir neue Wege, ohne fossile Rohstoffe zu produ­zieren und Klimagase zu reduzieren.

Biotech­no­logie und Bioöko­nomie liefern hier die Hebel: Sie können zur Dekar­bo­ni­sierung beitragen, indem weniger fossile Kohlen­stoffe in die Nutzung gebracht, also verbraucht werden. Statt­dessen wird der Kohlen­stoff aus Biomasse genutzt, und biotech­no­lo­gische Verfahren sorgen dafür, dass der Kohlen­stoff beständig im Kreislauf bleibt und immer wieder neu genutzt wird.

Im Idealfall sieht der Zyklus so aus, dass Biomasse (aus Pflanzen, Grüngras- oder Lebens­mit­tel­ab­fällen) zur Herstellung von hochwer­tigen Materialien und Endpro­dukten genutzt wird, dass Abfälle mikro­bio­lo­gisch abgebaut und zur Neu-Synthese wieder bereit­ge­stellt werden. Enzyma­tische Reaktionen mit wenig oder keinem CO2 Ausstoß bei niedrigen Reakti­ons­tem­pe­ra­turen und milden Reakti­ons­be­din­gungen sind hier der Schlüssel zur Nachhal­tigkeit. Weiterhin ist es nötig, weniger klima- und umwelt­schäd­liche Gase zu produ­zieren, hierzu müssen Prozesse ressour­cen­ef­fi­zi­enter ablaufen. Auch hier stellt die indus­trielle Biotech­no­logie Lösungen bereit.

Die Heraus­for­derung: Umwelt­schutz und Wirtschafts­wachstum vereinbaren

Damit dies geschehen kann, müssen zahlreiche Indus­trien und Produk­ti­ons­pro­zesse in verhält­nis­mäßig kurzer Zeit umgestellt werden. Dies wird ohne Biologie und biotech­no­lo­gische Verfahren nicht gelingen. Die Heraus­for­derung der nächsten Jahre besteht darin, Umwelt­schutz und Wirtschafts­wachstum zu verein­baren. Verschiedene Aspekte der Bioöko­nomie machen dies möglich: Die Bioöko­nomie nutzt „Abfälle“, also Rohstoffe, die bisher nach der Produkt­nutzung verbrannt oder als Müll entsorgt wurden; die indus­trielle Biotech­no­logie ermög­licht die Umstellung von Prozessen auf umwelt­freund­li­chere Verfahren; enzyma­tische Prozess­schritte vermeiden die Entstehung von CO2 in Produk­ti­ons­pro­zessen, und freige­setztes CO2 kann als Rohstoff wieder in Materialien gebunden werden. Eine Kreis­lauf­wirt­schaft muss entstehen, wollen wir (wieder) mit unseren natür­lichen Ressourcen und Rohstoffen auskommen und den „Earth Overshoot Day“ (also den Zeitpunkt, an dem wir soviele Ressourcen verbraucht haben, wie wir in einem Jahr nachhaltig wieder­her­stellen können) von jetzt August(!) wieder in den Dezember schieben können.

Was hindert uns, diesen Weg zu Nachhal­tigkeit und Erd- und Umwelt-Gesundung energi­scher und schneller zu gehen? Zum einen sind viele Prozesse und Produkte noch in der Vor-Markt-Phase, und Scale-up und Markt­ein­tritt benötigen Zugang zu den Finanz­märkten – ein heute gerade in Deutschland sehr schwie­riger Schritt in der Unter­neh­mens­ent­wicklung. Zum anderen stehen neue Produkte und Prozesse im harten Konkur­renz­kampf mit tradi­tio­nellen Verfahren. Werden tradi­tio­nelle Indus­trien nicht nach den gleichen Kriterien gemessen, sondern weiterhin mit Subven­tionen gestützt oder ihre (Folge-)Kosten nicht mit ihrem gesamten ökolo­gi­schen Fußab­druck berechnet, schneiden innovative Verfahren und Produkte, deren Ressour­cen­ef­fi­zienz nicht als Kosten­vorteil darge­stellt werden kann, im Wettbewerb schlechter ab.

Die Politik, die hier eine steuernde Rolle einnehmen sollte, kann über das Instrument der Förderung auch die vorwett­be­werb­liche Phase des Wachstums von Unter­nehmen aber auch die Phase des Auf- und Ausbaus biolo­gi­scher Prozesse in tradi­tio­nellen Unter­nehmen ermög­lichen und damit den Einstieg tradi­tio­neller Produktion in die Bioöko­nomie erleichtern und beschleu­nigen. Häufig ist hier die Kopplung von privater und öffent­licher Förderung erfolgreich.

Eine weitere Steuerung ist über die Erleich­terung des Markt­zugang für neue Produkte und Materialien möglich, so können Normen angepasst, neue Materi­al­vor­gaben erstellt oder Beimi­schungs­quoten festgelegt werden.

Und schließlich müssen die Vorteile neuer Verfahren und Produkte und ihr positiver Beitrag für Klima­schutz, Umwelt­schutz und Nachhal­tigkeit sichtbar gemacht werden. Die Visibi­lität der bioöko­no­mi­schen Welt muss im Dialog mit der Gesell­schaft und damit den Verbrau­che­rinnen und Verbrau­chern disku­tiert und vermittelt werden. Das BMBF hat dies mit dem Wissen­schaftsjahr Bioöko­nomie begonnen. Beispiel­re­gionen, wie sie zurzeit für die Kohle­re­viere geplant sind, werden auch helfen, bioöko­no­mische Netzwerke zu bauen und alle Akteure – Wirtschaft, Politik und Gesell­schaft – in die Umsetzung aktiv einzubinden.

Unser Weg zur Klima­neu­tra­lität und der Erfüllung der UN-Nachhal­tig­keits­ziele (SDGs) braucht die Expertise der indus­tri­ellen Biotech­no­logie und der Bioökonomie.

Quelle:
https://analyticalscience.wiley.com/do/10.1002/was.000600151/full/

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